
Zurück zu den Wurzeln
Zu meinen persönlichen größten Verlusten gehört wohl das Kochbuch meiner lieben Großmutter, in dem einfache, aber köstliche Gerichte enthalten waren. Statt dem in Kurrentschrift gefüllten Schreibheft bleibt mir allerdings die Erinnerung an wunderbares Essen und an die Gärten meiner Mutter und meiner Großtante, aus denen die gesunden Zutaten für das gute Essen kamen. Früher sind Menschen – auch aus der Erfahrung der großen Kriege des letzten Jahrhunderts – damit aufgewachsen, zumindest zu einem großen Teil selbst für sich sorgen zu können. Sowohl meine Mutter als auch meine Großtante hatten große Gärten, obwohl wir alle in der Stadt wohnten, ebenso viele ihrer Freundinnen. Es gab Beerenfrüchte, selbstverständlich unbehandelten Salat, Gurken, Tomaten, Karotten usw. sowie Kräuter frisch aus dem Garten.
Wer heute als Neuling an Selbstversorgung denkt, hat eine steile Lernkurve vor sich, andererseits aber auch mehr Gelegenheit, gute Tipps zu bekommen, als je zuvor. Drohende Lieferengpässe, Lockdowns, aber auch einfach die massive Inflation auch und gerade bei Lebensmitteln oder der Wunsch nach gesundem Essen machen eigene Gärten wieder interessant.
In den Städten
Lebt man in einer Wohnung und sorgt sich vor einem Blackout oder einer Versorgungskrise, bleibt wohl nur, sich einen Vorrat an Wasser (!), Dosenessen und lagerbarem Gemüse sowie eine Auswahl an Sprossensamen zurechtzulegen. Gekauftes Gemüse einzukochen, einzulegen oder zu fermentieren (auch Sauerkraut) braucht Übung, macht aber andererseits Spaß und verleiht einen gewissen Stolz auf die eigene Autonomie. Es schadet auch nicht, sich über öffentliche (Wasser-) Quellen in der Umgebung zu informieren. Ob diese verfügbar sind, ist regional sehr unterschiedlich.
Hat man einen Balkon zur Verfügung, kann man bereits mit Gemüsetöpfchen experimentieren. Je nach Ausrichtung des Balkons, können Tomaten und Kräuter viel Freude bereiten. Ich persönlich habe es noch nie geschafft, in einem Topf und sei er auch noch so groß, eine vernünftige Ernte hinzubekommen. Generell gilt die Regel: aus einer Bio-Saatkartoffel können rund 5 Kartoffeln geerntet werden können. Für eine halbwegs vernünftige Ernte bräuchte man daher einen Luxus-Balkon. Der Run auf „Schrebergärten“ ist sehr groß. Wer noch keinen hat, wird sich schwertun, Zugang zu einem zu bekommen. Je nach Region bieten Landwirtschaftsbetriebe an, sich gegen Entgelt und/oder Mitarbeit an der Ernte zu beteiligen.
Bei mir im Umfeld, das heißt am Land, gibt es einige Bauernläden. Viele davon haben 24 Stunden, 7 Tage in der Woche (24/7) Selbstbedienung. Sollten alle Supermärkte plötzlich schließen, weiß ich bereits, wo sich landwirtschaftliche Betriebe und Bauernläden befinden, bei denen ich Nahrungsmittel bekommen kann.
Seien Sie kreativ, engagiert, suchen Sie Gleichgesinnte! Wer sich rechtzeitig informiert, kann im schlimmsten Fall auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad aus der Stadt aufs Land fahren und bei einem nahen Betrieb einkaufen.

Obst vor Ort hat keine Norm, aber viele Vitamine, lässt sich einwecken, frisch verzehren, trocknen
Nicht jede Stadt wird den Luxus bieten, Obstbäume, Nussbäume und Sträucher auf für die Allgemeinheit zugänglichen Bereichen zu bieten. Ich staunte nicht schlecht, als ich von einer Freundin darauf angesprochen wurde, dass im Zuge eines Straßenbauprojekts die Umgebung begrünt wurde und dort plötzlich zahlreiche nützliche Pflanzen zu finden waren: Haselnusssträucher, Nussbäume, Felsbirnen, Hagebutten usw. Warum sollte man die Köstlichkeiten abseits und im Abstand zur Straße nicht ernten, warum nicht die Rosskastanien im Herbst zu Waschmittelgranulat verarbeiten (Vorsicht, bei der Herstellung kann man sich den Mixer vernichten) oder Efeu als Waschmittel verwenden?
Haben Sie einen Fluss in Ihrer Stadt, der noch nicht zu Tode reguliert und zubetoniert wurde, dann finden sich am Ufer Vieles, was im Notfall auch verwendet werden kann.
Haben Sie Brennnesseln bereits in den Speiseplan aufgenommen, aus denen man nicht nur ein tolles Pesto zubereiten kann, sondern dessen Samen man auch zu einem wahren Superfood trocknen kann.
Wissen Sie, wo man in Ihrer Umgebung Giersch, Portulak und Vogelmiere findet? Wie sieht es mit Löwenzahn aus, der zu Salat, zu einem zugegeben gewöhnungsbedürftigen Kaffeeersatz und zur Herstellung von Löwenzahnblütenhonig verwendet werden kann?
Ideal ist es, wenn man in der eigenen Umgebung auf Entdeckungsreise geht und die Gelegenheit gleich zu einem Spaziergang mit Freunden und Bekannten nutzt. Idealerweise ist jemand dabei, der sich mit den genannten und weiteren Pflanzen auskennt. Nicht nur, weil man aufpassen muss, nichts Giftiges oder Ungesundes zu sich zu nehmen, sondern auch, weil man ohne Vorkenntnisse oft an Köstlichkeiten vorbeigeht.
Am Land

frische, leckere Radieschen aus der eigenen Ernte – Radieschen sind mit nur 14 kcal /100 g ein kalorienarmer knackiger Snack, nennenswert ist obendrein ihr Gehalt an Vitamin C, Folsäure, dem Mineralstoff Kalium. Gut für unser Immunsystem
Am Land kann man selbstverständlich all das anbauen, was man am Balkon oder in einem Schrebergarten ebenfalls anbauen kann – nur eben viel mehr. Es reicht schon ein relativ kleines Grundstück mit einigen Bäumen darauf, sich ganzjährig mit eigenem, haltbar gemachtem Apfelsaft und Traubensaft zu versorgen, eigene Kartoffeln, Bohnen, Äpfel, Birnen, Beeren, Salat, Topinambur zu ernten. Letztere wuchern wie Unkraut und sind für die Verdauung herausfordernd. Dennoch sind sie eine Pflanze, deren Knollen man auch im Winter, wenn die Erde nicht gefroren ist, ernten kann und damit eine gewisse Krisensicherheit bieten.
Vernetzen Sie sich mit Nachbarn: Auch am Land ist Vernetzung ein ganz wichtiges Thema. Ich bekomme oft Pflanzen, Obst oder Gemüse von den Nachbarn geschenkt und gerne gebe ich auch das weiter, was ich mit meinen noch begrenzten Möglichkeiten ernten konnte. Kapuzinerkresse ist eine meiner Lieblingspflanzen: sie ist mit ihren bunten Blüten eine schöne Deko, die Blätter und Blüten sind essbar, man kann aus ihnen ein Pesto zubereiten (Hartweizengrieß-Spaghetti sind „ewig“ haltbar), zusammen mit Kartoffeln eine würzige Suppe kochen, die Samen als Kapern einlegen und vieles mehr.
Übung macht den Meister: Was in Ihrer Region gedeiht, hängt stark vom regionalen Klima und Wetter und vom Boden. Am besten wissen darüber natürlich die Einheimischen Bescheid, die ebenso anbauen.Tomaten reagieren je nach Sorte sehr empfindlich auf Wasser von oben. Was mich letztes Jahr beim Gießen ziemlich stark herausgefordert hat, kam mir bei der Tomatenernte zugute: Ich hatte als Versuch buchstäblich hunderte Tomaten am Acker gepflanzt – schließlich reicht es, wenn man ein paar Tomaten im Blumentopf verrotten lässt und man hat im kommenden Jahr etliche Pflänzchen. Die Ernte war überwältigend. So konnte ich Tomatensaucen einfrieren und auch mit dem Einkochen von Tomaten Erfahrung sammeln. So reizvoll die Lagerung ohne Kühlschrank ist, so traurig ist man über Anfängerfehler, die dann dazu führen, dass die selbst produzierten Schätze verderben. Ja, man muss super-hygienisch arbeiten, die Rexgläser (Einweckgläger) müssen keimfrei sein und auch die Rexgummis ganz müssen intakt sein.
So gut dieses Jahr die Tomatenernte war, so viel „Pech“ hatte ich mit den Bohnen. Im Gegensatz zu Tomaten brauchen die nämlich viel Wasser und da ich im vergangenen trockenen Sommer nicht mit dem Gießen nachgekommen bin, habe ich mir die schmale Ernte selbst zuzuschreiben. Kartoffeln gedeihen immer und so kann ich den Anbau nur empfehlen.

Ölkürbis. Daraus wird Kürbiskernöl gemacht, eine steirische Spezialität. Man kann aber auch das Fleisch selbst essen
Einen Tipp, den ich unbedingt weitergeben möchte, ist die selbst gemachte Suppenbasis. Statt Suppenwürfel mit Palmfett und sonstigen undefinierbaren Zusätzen zu kaufen, kann man auch eine im Kühlschrank viele Monate haltbare Suppenbasis machen (ohne Kühlschrank fehlt mir die Erfahrung über die Haltbarkeitsdauer): Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Karotten, Sellerie durch einen Fleischwolf drehen, abwiegen und 1/5 des Gewichts in Salz dazugeben und verrühren. Schon nach wenigen Tagen hat man eine Paste, die man löffelweise nach Geschmack statt einem Suppenwürfel verwenden kann.
Kürbis kann man nicht nur im Garten, sondern sogar auf dem Balkon pflanzen, pflegen und ernten – hier eine kleine Anleitung dazu.
Fazit
Alles in allem gilt: Niemand weiß alles und schon gar nicht am Beginn. Lernen und sich auch von kundigen Menschen belehren lassen sowie üben macht nicht nur Spaß, sondern früher oder später auch einen selbst zum Meister.
Vernetzen mit Gleichgesinnten ist der Schlüssel zum Erfolg und zum Spaß. Man lernt sich selbst einzuschätzen, lernt, wer einem in welchem Zusammenhang helfen kann und wo man selbst anderen helfen kann. Die wichtigsten Dinge im Leben haben keinen Preis und lassen sich nirgends erwerben, doch sie sind frei erhältlich im Miteinander.